Das Publikum des SIPOL 2022
Gruppenfoto Referenten und Podiumsteilnehmer mit dem Präsidenten der OG Aarau
Teilnehmende der Podiumsdiskussion inkl. Moderator Urs Leuthard.
Brigadier Daniel Krauer
Brigadier Benedikt Roos

Der Sicherheitspolitische Grossanlass der OG Aarau mit überregionalem Glanz

Der Sicherheitspolitische Grossanlass der OG Aarau mit überregionalem Glanz
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Der sicherheitspolitische Grossanlass «SIPOL» der OG Aarau hat erneut Grössen aus Militärführung, Politik und Wirtschaft zusammengebracht, um das gegenseitige Verständnis zur aktuellen Bedrohungslage und den dazugehörenden Gegenmassnahmen zu fördern. Im Zentrum stand die Frage, welche Armee die Schweiz für die Bewältigung der neuen Bedrohungslage benötigt.

Der sicherheitspolitische Haussegen in Europa hängt seit dem Russischen Einmarsch in der Ukraine schief. Umso mehr braucht es Austausch, zuverlässige Informationen und eine solide, langfristige Planung. Anlässlich des SIPOLs, welcher am 16. November 2022 in Buchs AG durchgeführt wurde, konnte dank den anwesenden Schlüsselpersonen ein breites Bild aus Sicht der Armee, der Politik sowie der Wirtschaft abgegeben werden, um die Besucherinnen und Besucher zum Nachdenken anzuregen und gleichzeitig die nötige Transparenz zu zeigen, um Vertrauen in Politik und Armee zu schaffen.

Zum aktuellen Bedrohungsbild

Um die aktuelle, allenfalls geänderte Bedrohungslage der Schweiz zu verstehen, hat Brigadier Daniel Krauer, Chef Militärischer Nachrichtendienst MND, die aktuellen Bedrohungsanalysen seines MND vorgestellt. Dabei wurden zuerst das sicherheitsrelevante Umfeld der Schweiz und anschliessend das daraus resultierende generische Bedrohungsbild erläutert.

Aus den Bedrohungs- und Gefahrenpotenzialen sei insbesondere der verbotene Nachrichtendienst sowie die Spionage zu erwähnen, da der MND in diesem Bereich seit dem russischen Einmarsch eine starke Zunahme auf Schweizer Gebiet registriert. Daneben bleiben Terrorismus und gewalttätiger Extremismus eine stetige Bedrohung, die durch die Polarisierung der Gesellschaft sicherlich nicht abgenommen hat. Schlussendlich wird auch ein bewaffneter Konflikt als Bedrohungspotenzial angegeben, allerdings an letzter Stelle. Diese Aufführung am Schluss ist jedoch nur der Wahrscheinlichkeit geschuldet, keinesfalls aber der Gefährlichkeit bei Eintreten. So muss sich die Armee auch weiterhin trotz tiefer Wahrscheinlichkeit auf diesen Fall vorbereiten.

Zeitliche Einordnung der Bedrohungs- und Gefahrenpotenziale

Beim Bedrohungsbild hatte der MND sämtliche Gefahrenpotenziale auf einer Zeitachse der Vorbereitungszeit eingeordnet. Dabei zeigen sich verschiedenste Szenarien, die bereits heute stattfinden und zum Alltag gehören – darunter Cyberangriffe, Beeinflussungsaktivitäten und Desinformation sowie verbotener Nachrichtendienst. Bei gefährlicheren Bedrohungen wie beispielsweise einem kombinierten Luft-/Bodenkrieg sowie einer Destabilisierung durch stark erhöhte Migration ist eine Vorlaufzeit von Monaten bis Jahren zuzuschreiben.

Ein markanter Indikator der weltweiten Spannungszunahme sind die Verteidigungsausgaben der einzelnen Staaten. Es zeigt sich, dass fast alle Länder mit nennenswerten Streitkräften ihre Ausgaben seit 2014 und insbesondere in diesem Jahr markant erhöht haben. Ein Beispiel dafür liefert das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, welches der deutsche Bundestag voraussichtlich der Bundeswehr sprechen möchte – bei einem normalen Jahresbudget von unter 50 Milliarden Euro. Nennenswert ist auch der Fakt, dass Russland als fast einziges Land seine Militärausgaben bis zum Einmarsch in die Ukraine eher gesenkt als erhöht hat. Dieses Gesamtbild führt dazu, dass die weltweiten Verteidigungsausgaben im Jahr 2022 erstmals die 2'000 Milliarden USD überschritten haben.

Einblick in die Rüstungsplanung

Um die blaue Antwort auf die zuvor skizzierten roten Bedrohungen zu liefern, referierte Brigadier Benedikt Roos, Chef Armeeplanung und stellvertretender Chef Armeestab, über die Rüstungsplanung der Schweiz der nächsten Jahre.

Die aktuelle Lebensdauer der grossen Systemgruppen wurde auf einer Zeitachse verständlich erläutert. Dabei ist jeweils aufgrund der finanziellen Lage zu evaluieren, ob sich für ein System eine Lebensdauerverlängernde Massnahme oder allenfalls ein Ersatz lohnt. Gleichzeitig muss laufend, auch aufgrund der Bedrohungsanalyse, beurteilt werden, ob ein System noch auf existierende Bedrohungen angewendet werden kann, oder ob andere Mittel zur Bekämpfung dieser Bedrohung notwendig wären.

Unsere Armee strebt eine fähigkeitsorientierte Streitkräfteentwicklung an. Diese basiert auf den Vorgaben der Legislatur sowie auf der laufenden Fähigkeits- und Grundlagenplanung (z.B. der Bericht "Luftverteidigung der Zukunft"). Daraus resultier die jährliche Umsetzungsplanung, die insbesondere das zur Verfügung stehende Budget in Betracht zieht. Die effektive Umsetzung wiederum wird jährlich in der Armeebotschaft publiziert.

Neue Erkenntnisse dank dem Ukraine-Krieg

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat gezeigt, dass auch im 21. Jahrhundert der Hauptfokus eines Krieges auf den Bodentruppen sowie der Luftüberlegenheit lag. Entgegen der Erwartungen hat Russland vergleichsweise wenig Fokus auf Cyber- und EKF-Attacken gelegt, trotz der starken Positionierung der russischen Streitkräften in diesem Bereich. Daraus lässt sich auch die Schlussfolgerung ziehen, dass die Armee Rüstungsprojekte im Bereich der Bodentruppen höher gewichten muss – beispielsweise moderne Panzerabwehr-Lenkwaffen sowie eine mobile und weitreichende Artillerie.

Gleichermassen spielt die Luftüberlegenheit wiederum eine Schlüsselrolle. In der Ukraine konnte die russische Luftwaffe auch nach über 9 Monaten die Luftüberlegenheit nicht erlangen. Dies ist grossmehrheitlich auch den durch den Westen gelieferten modernen Luftabwehrsystemen zuzurechnen.

Zusammenfassend sei zu erwähnen, dass ein erhöhtes Armeebudget nicht zu einem Einkaufsrausch der Armee führt – im Gegenteil: Die Rüstungsvorhaben sind klar geplant und kommuniziert. Ein erhöhtes Budget reduziert lediglich die Zeit bis zum Ersatz von Systemen am Ende der Lebensdauer.

Podiumsdiskussion: Welche Armee braucht die Schweiz?

Um die Sicht der Armee breit zu debattieren, folgte anschliessend eine hochkarätige Podiumsdiskussion. Es diskutierten aus der Politik Nationalrat Mauro Tuena, Präsident der sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates (SVP Zürich) sowie Nationalrätin Franziska Roth, Mitglied der sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates (SP Solothurn). Als Vertreter der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft diskutierten Matthias Zoller, Generalsekretär SWISS ASD (Aeronautics, Security, Defence Industry of Swissmem) sowie Jonas Heeb, Sekretär GSoA und Mitglied der junge Grünen Luzern mit. Moderiert wurde die intensive Debatte von Urs Leuthard, Leiter SRF Bundeshausredaktion.

Emotionale Debatte mit gespaltener Meinung

Die beiden Meinungslager zu Ausgaben- und Budgeterhöhungen der Armee zeichneten sich schnell ab. Auf der Seite der Fürsprecher wurde argumentiert, dass die Armee jahrelang zusammengespart wurde, hatte sie doch vor wenigen Jahrzehnten noch einen Maximalbestand von 800'000 Angehörigen, wobei sie heute nur noch rund 100'000 Mann zählt. Gleichzeitig solle auch die Beschaffung von bereits definierten Systemen beschleunigt werden, was das erhöhte Armeebudget auch ermögliche.

Auf der Gegenseite wurde angeführt, dass die durch das Parlament beschlossene schrittweise Erhöhung des Armeebudgets auf 1% des BIP bis 2030 planlos erfolgt sei. Dem Parlament seien in diesem Zusammenhang keine Rüstungsgüter oder -Geschäfte konkret unterbreitet worden, sondern die Budgeterhöhung sei nach dem Giesskannenprinzip erfolgt. Auch die vermehrte Fokussierung der Armee auf den Teilbereich «Verteidigung» sei überrissen und vernachlässige merkbar den Bereich Bevölkerungsschutz sowie die subsidiären Fähigkeiten der Armee.

Urs Leuthard konnte die intensive sowie emotionale Diskussion denn auch gekonnt und ausgeglichen gestalten, womit nach rund einer Stunde Diskussionszeit alle Teilnehmenden gleichermassen Gelegenheit erhielten, Ihre Standpunkte offen darzulegen. Die Offiziersgesellschaft Aarau legt sehr viel Wert auf eine faire und neutrale Diskussion, in welcher alle Meinungen gehört werden sollen, um eine breit abgestützte und konsolidierte Meinung bilden zu können. Mit der einzigartigen Moderation durch Urs Leuthard mit jahrelanger «SRF Arena»-Kenntnissen ist dies wiederum überaus erfolgreich gelungen.

Die OG Aarau sagt: Danke!

V.l.n.r.: Moderator Urs Leuthard, Brigadier Daniel Krauer, Matthias Zoller, Nationalrat Mauro Tuena, Nationalrätin Franziska Roth, Jonas Heeb, Brigadier Benedikt Roos, OG-Präsident Sandro Senn.

Dieser spannende und glanzvolle Anlass war nur möglich dank den zahlreichen Gästen, sowohl Mitglieder als auch Nichtmitglieder, die an diesem Abend den Weg nach Buchs AG auf sich genommen haben. Die OG Aarau verfolgt das Ziel, den SIPOL als überregional ausstrahlenden Anlass zu etablieren, bei dem hochrangige Gäste aus Militär, Politik und Wirtschaft dem Publikum sicherheitsrelevante Themen näher bringen und breit debattieren, immer unter der Wahrung einer neutralen und fairen Diskussion.

Die OG Aarau bedankt sich speziell bei unserem Anlasssponsor «BEELEGAL» sowie bei der Schweizerischen Offiziersgesellschaft SOG, der Aargauer Offiziersgesellschaft AOG sowie der Eniwa AG für ihre finanzielle Unterstützung, ohne die ein solch fantastischer Anlass nicht möglich gewesen wäre.